Behinderte und chronisch kranke Studierende gehen ins Ausland
Ein Studium oder Praktikum im Ausland wird zunehmend für behinderte und chronisch kranke Studierende zum Thema. Auch Oldenburger Student*innen absolvierten erfolgreich Teile ihres Studiums im Ausland und raten: "Trotz des hohen Aufwandes würde ich es wieder machen."
Im Vorfeld eines Auslandsstudiums gibt es für behinderte Studierende meist viele Hindernisse und Hürden - oft genug bürokratischer Art - zu überwinden. Der Organisationsaufwand im Vorfeld ist insgesamt sehr hoch. Und behinderte Studierende machen im Ausland immer wieder sehr unterschiedliche Erfahrungen.
So gibt es Erfahrungsberichte, nach denen an ausländischen Unis die Bedingungen für bestimmte Behinderungsformen besser sind als in Deutschland. Der blinde BWL-Student Jochen Dreher etwa ging für ein Jahr in die USA und stellte fest: "Es war überwältigend, wie viele unterschiedliche Hilfen es hier für Behinderte gab. Zunächst bekam ich bereits ab dem dritten Tag ein Orientierungstraining, das sehr zu meiner Unabhängigkeit beitrug. Außerdem sind noch Auflesedienste, Testhilfen und Unterichtsassistenz zu erwähnen. Rückblickend muss ich sagen, dass sich dieses Jahr in jeder Hinsicht gelohnt hat. Außerdem konnte ich feststellen, wie sehr viel mehr man sich in Amerika um die Belange von Behinderten kümmert." Diese Erfahrung hat ihn derart bestärkt, dass er beschloss, an sein Studium in Oldenburg ein Master-Studium in Australien anzuschließen. Über seine Vorbereitungen und seinen Aufenthalt hat er auf Initiative der Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung des Deutschen Studentenwerkes (DSW) einen umfangreichen pdf Erfahrungsbericht (180 KB) pdf (PDF) geschrieben, der hier mit freundlicher Genehmigung des DSW zur Verfügung gestellt werden kann.
Der Oldenburger Student Paul Ecker war 2018 für ein Semester in Kanada. Aufgrund einer Mobilitätseinschränkung nutzt er einen Rollstuhl. In seinem
pdf
Erfahrungsbericht
(398 KB)
geht er auf unterschiedliche Aspekte ein: von Besonderheiten beim Flug über Unterstützungsangebote der Uni bis hin zu den Schwierigkeiten, eine Assistenzkraft zu finden.
2016 war Lukas Heuer, ebenfalls Student an der Uni Oldenburg, ein Semester in Argentinien. In seinem Bericht beschreibt er seinen gelungenen Aufenthalt dort, er hat eine Körperbehinderung.
Aber trotz bester Vorbereitung bleiben Probleme und Pannen im Ausland selbst oft nicht aus. "Bei unserer Ankunft erwies sich das als rollstuhlgerecht gepriesene Hotel "Le petit paradis" als zu ‚petit‘, um mit dem Rollstuhl in den Lift oder in die Toilette zu gelangen", berichtet der Rollstuhlfahrer Ingo Nienaber, der einen Teil seines Informatikstudiums auf Malta absolvierte. "Zudem weiß ich nun, dass das Paradies mit Treppen im Eingangsbereich ausgestattet ist."
Zusätzlich sind die zuständigen Institutionen in den Gastländern oft mit den spezifischen Fragestellungen behinderter Studierender überfordert, wie der Organisation von Pflege, Mobilität und rollstuhlgerechter Unterkunft und Regelungen für die Aus- und Einfuhr von Blindenführhunden und behindertengerecht angepassten Pkws.
"Trotz des Aufwandes empfehlenswert"
Trotz dieser hohen Anforderungen raten jedoch auslandserfahrene Studierende keineswegs vom Studium im Ausland ab, sondern wollen Mut machen zu diesem immer noch selten realisierten Vorhaben: "Im Rückblick gab es zwar einige Schwierigkeiten, die es zu bestehen galt, doch mehr noch sehe ich die Erfahrungen eines anderen Lebens, angefangen vom Einkaufen bis zum Studium an der Universität und nicht zuletzt den Umgang der Menschen miteinander. Ich würde es trotz der Umstände, die es mir bereitet hat, immer wieder machen und kann jedem ein Auslandsstudium im Allgemeinen und in Malta im Besonderen nur wärmstens empfehlen", rät Ingo Nienaber.
Die Behindertenberatung kann auch Kontakte zu weiteren auslandserfahrenen behinderten und chronisch kranken Studierenden herstellen.