Behinderte und chronisch erkrankte Studierende sind an Hochschulen häufiger anzutreffen, als es zunächst den Anschein hat. Denn zunächst nicht offensichtliche, aber gravierende gesundheitliche Beeinträchtigungen wie z. B. rheumatische Erkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Hörschädigungen und psychische Erkrankungen kommen in allen Bevölkerungsschichten vor, also auch bei Studierenden.

Diese Studierenden haben das Problem, bei Fragen zu behinderungs- bzw. krankheitsbedingten Modifikationen von Studien- und Prüfungsbedingungen im Kontakt mit Hochschulmitgliedern zunächst die spezifischen Auswirkungen ihrer Behinderung bzw. chronischen Erkrankung auf den Studienalltag erklären zu müssen. Bei relativ bekannten Beeinträchtigungen, z. B. der Hör- oder Sehfähigkeit, dürfte die Erklärung leichter nachzuvollziehen sein, als bei Behinderungen oder Erkrankungen mit unklaren Entstehungsursachen und sehr vielfältigen Erscheinungs- und Störungsformen.
Bei psychisch erkrankten Studierenden besteht diese Problematik in besonders gravierender Form. Grobe Kategorien wie Neurose, Psychose, Persönlichkeitsstörungen dürften in etwa bekannt sein. Eine exaktere Diagnose ist jedoch oft schwierig, weil die Betroffenen im Laufe der Erkrankung verschiedene Definitionen hören. Sowohl die medizinisch-therapeutischen Fachbegriffe als auch die Krankheitssymptome wandeln sich bisweilen.

Für die Frage nach der Gestaltung des Studienalltags steht weniger die klinische Definition der Erkrankung im Vordergrund, als vielmehr Art und Umfang der möglichen Störungen. Im Wesentlichen kann davon ausgegangen werden, dass vor und nach akuten Krankheitsphasen besondere Studiensituationen vorliegen. Während einer akuten Phase können Studien- und Prüfungsleistungen in der Regel nicht erbracht werden, denn dann steht die medizinisch-therapeutische Behandlung im Vordergrund. Nach weitgehendem Abklingen der Erkrankung und Symptomfreiheit stehen in den meisten Fällen frühere Potenziale wieder zur Verfügung, es kommt zu keiner Minderung etwa der intellektuellen Fähigkeiten.

Da die Erkrankungen häufig in Phasen verlaufen, muss in manchen Fällen nach einer Ersterkrankung und nach teils sehr langen stabilen Phasen mit erneuten Krankheitsschüben gerechnet werden. Um diese Gefahr zu mindern, ist in vielen Fällen eine langfristige Medikation erforderlich, die in krankheitsnahen Phasen hochdosiert ist und erhebliche Nebenwirkungen mit sich bringen kann.

Daraus folgt bereits eine erste und häufige Auswirkung auf das Studium.

  • Sowohl durch länger andauernde akute Krankheitsphasen als auch durch daran angrenzende geminderte Leistungsfähigkeit (Anfangs- und Restsymptome, hohe Medikamentendosis) kann es zur Verlängerung der Studiendauer kommen.

Störungen der Leistungsfähigkeit treten in affektiven und kognitiven Bereichen, aber auch im vegetativen System auf und führen beispielsweise

  • zu geminderter Energie und geschwächtem Antrieb, zeitweise auch zu überaktiven Phasen,
  • zu Verunsicherungen in der Wahrnehmung, erhöhter Empfindlichkeit gegenüber bestimmten Reizen, eigenwilliger Bewertungen von Erlebnisinhalten,
  • zu Tendenzen zum sozialen Rückzug, Unsicherheiten in der Kontaktaufnahme und in den sozialen Beziehungen,
  • zu Konzentrationsmängeln, gestörten Gedächtnisleistungen, mangelndem Zutrauen in die eigene Leistungsfähigkeit,
  • zu Stimmungsschwankungen, gesteigerter Verletzbarkeit,
  • zu begrenztem Steuerungsvermögen des Verhaltens (z. B. Zwänge, Essstörungen).

Eine akute Phase kündigt sich oftmals mit Unruhe und Schlafstörungen kombiniert mit beginnender Symptomatik an. Nach der Akutphase kann es einige Zeit noch Restsymptome geben. Je nach Krankheitsbild treten Symptome einzeln oder in Kombination mit anderen auf.

Übliche Leistungsanforderungen kosten in diesen krankheitsnahen Phasen deutlich mehr Kraft und Energie und bewirken eine erhöhte Erschöpfbarkeit. Die Balance zwischen Anforderungen und eigenen Grenzen muss der jeweiligen Situation angepasst werden. Überforderung kann - wie andere kritische Situationen auch - die Gefahr eines erneuten Krankheitsschubs erhöhen.
Das Bewältigen von kritischen Situationen - wie Prüfungen, Praktika oder Finanzierungsproblemen - gelingt oft nur durch professionelle Unterstützung und Begleitung im Studienalltag z. B. durch die Zentrale Studienberatung, der Psychologische Beratungs-Service, die Behindertenberatung und durch andere beratende Institutionen, die mit dem Studiengeschehen und psychisch erkrankten Menschen vertraut sind. Zusätzlich können (zeitlich begrenzte) Modifikationen der Studienbedingungen an aktuelle Leistungsgrenzen notwendig sein. Das schließt die Gewährung von Nachteilsausgleichen ein, die es ermöglichen sollen, die geforderten Studien- und Prüfungsleistungen bei Wahrung der fachlichen Anforderungen in vollem Umfang, jedoch in bedarfsgerechter Form zu erbringen.

Von Prüfungsämtern und Lehrenden wird häufig die Frage gestellt, ob die Regelungen zum Nachteilsausgleich prinzipiell auch für psychisch erkrankte Studierende gelten. Dem Grunde nach sind Nachteilsausgleiche auch auf diese Studierenden anwendbar. Allerdings können im Einzelfall Abgrenzungsprobleme zwischen dem so genannten krankheitsbedingten Rücktritt von der Prüfung und dem Nachteilsausgleich bei Prüfungen bestehen. Dies ist immer dann der Fall, wenn eine bestehende Behinderung oder chronische Erkrankung gleichzeitig mit einer anderen bzw. einer sekundären akuten Erkrankung oder mit akuten Krankheitsphasen verbunden ist. So sind beispielsweise in akuten Phasen einer psychischen Erkrankung, in denen Prüfungsunfähigkeit besteht, die Regelungen zum krankheitsbedingten Rücktritt anzuwenden. Die daraus resultierenden Studienzeitverlängerungen und die damit verbundenen Probleme im Studien- und Prüfungsgeschehen sind jedoch in anderen Zusammenhängen zu berücksichtigen.

Grenzen kann es bei Nachteilsausgleichen im Lehramt oder Referendariat geben bzw. hier gibt es bei psychischen Erkrankungen einiges zu beachten. Zum Lehramt hat die Behindertenberatung eine eigene Seite erstellt.

Es gibt auch finanzielle Hilfen und Nachteilsausgleiche. So gibt es Besonderheiten beim BAföG, Kindergeld, bei den Studiengebühren und bei Stipendien für behinderte und chronisch kranke und gleichbedeutend auch für psychsich erkrankte Studierende.

Das Studentenwerk Oldenburg berücksichtigt beim Studentischen Wohnen die besonderen Bedürfnisse von Studierenden mit Behinderungen/Erkrankungen beispielsweise durch eine bevorzugte Berücksichtigung bei der Wohnheimplatzvergabe.

Für die Aufklärung und Sensibilisierung der Lehrenden zum Umgang mit Behinderungen und Erkrankungen kann dieser pdf Leitfaden für Lehrende (211 KB) hilfreich sein.

Zahlreiche Beratungs- und Unterstüzungsangebote bietet der Psychologische Beratungs-Service mit Einzelberatung und Workshops.

An der Universität Oldenburg gibt es ein Endspurt-Projekt für Langzeitstudierende.

Es gibt auch zahlreiche Beratungsstellen und Angebote der Selbsthilfe.

Seit Ende 2011 gibt es auch eine Selbsthilfegruppe für Studierende mit nicht-sichtbaren Behinderungen in Oldenburg.

Generell empfehlenswert bei diesen umfangreichen Themen ist auch eine persönliche Rücksprache mit der Behindertenberaterin Wiebke Hendeß, entweder im Büro in Oldenburg, telefonisch oder per E-Mail.

     
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